Zwei Leben

Zwei Leben führen wir,
ein Leben im Stoff,
unser Körper als Vermittler,
handelnd in der Welt,
um Neues zu schaffen.

Das zweite Leben
führt unser Ich
in der Seele,
worin das Echo von früher
regiert im Jetzt.

Bringe Ordnung dort hinein,
reinige sie
nach den Maßstäben
des Geistes.

aus:
jaap van de Weg
geistes
gegenwart
das einmaleins
der inneren balance

Schlagwort: Böhmen

330 Schock Groschen für den Schwerdahof

330 Schock Groschen für den Schwerdahof

In meinem Blog „Der Schwerdahof – ein altes böhmisches Mittelgebirgshaus“ schrieb ich:

„Georg Schwarda kaufte im 30-jährigen Krieg das vermutlich verlassene Gehöft von der Obrigkeit ab. Der Kaufpreis betrug damals 330 Schock Groschen. Georg übergab den Hof 1652 an seinen Sohn Jacob.“

 Was oder wie viel ist 1 Schock?

Gibt man den Begriff in eine Suchmaschine ein, dann kommen Begriffserklärungen, wie z.B.

„eine seelische Erschütterung, die durch ein plötzliches und unangenehmes Ereignis ausgelöst wird“

Erweitert man die Suche um den Begriff „Maßeinheit“, erfährt man auf etlichen Seiten, dass Schock 5 Dutzend, also 60 bedeutet.

330 Schock Groschen sind demnach 19800 Groschen.

Auf der Münze steht unten die Zahl 3. 3 Kreuzer, das ist ein Groschen.

1929 wurde der Groschen unter der Regierung von Ferdinand III., aus dem Haus Habsburg, geprägt.

Ferdinand III. wurde

  • 1625 König von Ungarn
  • 1627 König von Böhmen
  • 1636 Römisch deutscher König
  • 1637 Römisch deutscher Kaiser
  • 1657 beerdigt

In seine Regierungszeit fällt der Kauf oder die Übernahme des Hofes. Der abgebildete Groschen entspricht der damals in der Gegend üblichen Währung.

Unter dem Betrag 19800 Groschen konnte ich mir nichts vorstellen. Also: „googeln“

Wie vergleicht man Groschen aus dem 30-jährigen Krieg mit Euro. Dass jeder Vergleich stark hinkt war mir von vorne herein klar, aber versuchen kann man es doch. Im Internet fand ich eine interessante Seite (leider habe ich den Link nicht mehr), auf der dargestellt wurde, dass ein relativ guter Umrechnungsfaktor der Preis für 1 kg Rindfleisch ist.

Groschen – Rindfleisch – Euro

Bei Abnahme von 1/2 Rind bezahlte man damals etwas mehr als 1 Groschen für das kg Rindfleisch. Heute liegt der vergleichbare Preis  bei etwa 6 € für ein kg Rindfleisch. Wenn man dies nun umrechnet, kostete der Schwerdahof etwa 110.000 €.

110.000 € für den Schwerdahof? Ein stattlicher Preis für einen Hof in einer zerstörten Gegend.

In dem Buch Leitmeritz und das Böhmische Mittelgebirge wird die Entwicklung der Gegend während des 30-jährigen Krieges wie folgt beschrieben (Auszüge):

13.12.1633: In den Dörfern waren nur noch je 1 bis 2 Höfe übrig. (Noch 1635 hielten sich viele Bauern in den Wäldern auf.) In den Dörfern, die der Stadt gehörten, gab es nur noch 13 ansässige Bauern in 11 Häusern!

19.03.1640: Auf den städtischen Dörfern leben nur noch 8 Untertanen.

01.10.1649: In allen Stadt-Dörfern gab es nur noch einen untertänigen Bauern.

Hlinay gehörte ab 1630 zum größten Teil nicht mehr der Stadt Leitmeritz, sondern den Jesuiten in Liebeschitz. Dennoch zeigt die Entwicklung, dass zum Ende des 30-jährigen Krieges die Dörfer der Umgebung zerstört waren und die Bauern ihre Höfe nicht mehr bewirtschafteten.

„Der Dreißigjährige Krieg brachte häufig wechselnde Besatzungen – u. a. schwedische und sächsische –, die alle mit Verheerungen einhergingen. Stadt und Umgebung erlitten dramatische Bevölkerungsverluste.“

 

 

Ein sächsisch-böhmisches Handwerksgenie in Schönlinde

Ein sächsisch-böhmisches Handwerksgenie in Schönlinde

Wie wird ein Handwerksmeister posthum zu einer überregionalen Berühmtheit?

Die Antwort ist einfach – er hat zu Lebzeiten Besonderes geleistet. Dies reicht normalerweise nicht dazu, dass er dann auch noch in einem Geschichtsbuch verewigt wird. Dazu braucht es dann noch ein paar andere Zutaten:

Gottfried Preußger, ein Schlossermeister wie er im Geschichtsbuch steht.

Ihm wurde ein kleines Kapitel in einem Geschichtsbuch für Gymnasien gewidmet.

Ein grenzüberschreitendes Projekt, durchgeführt von den beiden Universitäten Univerzita Jana Evangelisty PURKYNÉ (UJEP) in Usti nad Labem und der Technische Universität Dresden.

Zielsetzung:

Ausgehend von der Überzeugung, dass Kenntnisse über die gemeinsame Geschichte von Sachsen und Böhmen notwendig sind und immer neu vermittelt werden müssen, um das Verständnis von und zwischen den beiden Ländern zu verbessern, werden Wissenschaftler der TU Dresden und der Universität Jana Evangelisty PURKYNÉ gemeinsam Geschichtsbücher für Schulen erarbeiten, die als zusätzliches Lehrmaterial in Sachsen und Böhmen Verwendung finden sollen.

Zur Zeit wird das Geschichtsbuch auf seine didaktische Brauchbarkeit geprüft. Es wurde an 8 Gymnasien in Sachsen und Böhmen testweise eingeführt.

Gottfried Preußger wird im Buch als Beispiel dafür angeführt, dass auch Handwerker aus dem Sächsischen Herrschaftsgebiet, im Habsburger Herrschaftsbereich gut vorankommen konnten.

Geburt in Markersdorf bei Görlitz

Gottfried Preußger wurde 1767 in Markersdorf 6, in der Nähe von Görlitz geboren. Seine Eltern und Großeltern waren als Widmuthsgärtner im Dienst der Kirche tätig.

Geburtsort von Gottfried Preußger
Markersdorf, Geburtsort von Gottfried Preußger

Er lernte wohl in der näheren Umgegend den Beruf des Schlossers und verbrachte ein halbes Jahr in Prag als Schlossergeselle.

1792 zog er nach St. Georgenthal und erlernt den Beruf noch einmal bei dem Meister Franz Menschel.

1795 – Gottfried Preußger wird zum Böhmischen Untertan

 … am 13. Mai 1795 wurde er durch Handschlag mit dem Vogt Franz Richter in Böhmisch Kamnitz (Česká Kamenice) zum Untertanen der gleichnamigen Herrschaft, die dem Grafen Kinsky gehörte.

Mehrere Ereignisse folgen nun aufeinander:

  • Gesellenprüfung im August 1795
Gottfried Preußger, Gesellenbrief
Gottfried Preußger, Gesellenbrief – August 1795
  • Eintritt am 02.08.1795 in die Siebenzunft in Schönlinde
  • Heirat mit Katharina Oheim/Ohme am 20.10.1795 in St. Georgenthal
Trauung mit Katharina Oheim am 20.10.1795
Trauung mit Katharina Oheim am 20.10.1795

In der Heiratsurkunde wird Gottfried Preußger bereits als Schlossermeister bezeichnet.

  • Bau des neuen Umgebindehauses 1801/1802 in Schönlinde 31
Wohnhaus Gottfried Preußger
Wohnhaus Gottfried Preußger erbaut 1801/1802

Gottfried Preußger hatte zusammen mit seiner 1. Ehefrau 4 Söhne. Nach deren Tod heiratete er Theresia Schindler. Mit ihr zusammen hatte er 6 Kinder.

  • Vorsitzender der Schönlinder Siebenzunft 1819 – 1824

In diese Zeit fällt auch der Bau der großen Treppe zur Kirche. Das Treppengeländer, welches von ihm hergestellt wurde existiert heute noch.

Treppengeländer zur Kirche
Treppengeländer der Schönlinder Kirche

Dieses Treppengeländer hat eine Besonderheit:

1813 wurden in einem aufgelassenen Munitionslager der Franzosen Kanonenkugeln (30mm und 40mm) gefunden. Diese integrierte er in das Treppengeländer.

Kanonenkugel Schönlinder Kirche
Kanonenkugel im Geländer der Schönlinder Kirche
Kanonenkugel Schönlinder Kirche
Kanonenkugel im Geländer der Schönlinder Kirche

Gottfried Preußger war als Schlosser ein besonders vielseitiger Handwerker. Er betätigte sich nicht nur in seinem eigenen Handwerk, sondern entwickelte auch Spinnmaschinen weiter und verkaufte diese ins Ausland, ebenso baute er Brückenwaagen und vertrieb diese ins Ausland. In Schönlinde errichtete er eine Baumwollspinnerei und stattete diese mit seinen selbst entwickelten Maschinen aus.

Er starb am 16.05.1833 mit 66 Jahren an Nervenfieber in Schönlinde. Sein Sohn Johann aus erster Ehe übernahm nach dem Tod des Vaters Haus und Werkstatt und führte den Betrieb weiter.

Gottfried Preußger, Lebensstationen
Lebensstationen von Gottfried Preußger – Markersdorf, Prag, St. Georgenthal, Schönlinde

Quellen:

Sächsisch-Böhmische Beziehungen im Wandel der Zeit, 3 Bde. – Textband, Hg. v. Kristina Kaiserová und Walter Schmitz

Sächsisch-Böhmische Beziehungen im Wandel der Zeit, 3 Bde. – Quellenband, Hg. v. Kristina Kaiserová und Walter Schmitz

Kirchenbücher von Georgenthal und Schönlinde

Der Schwerdahof – ein altes böhmisches Mittelgebirgshaus

Der Schwerdahof – ein altes böhmisches Mittelgebirgshaus

Der Heimatforscher Julius Lippert beschreibt den Schwerdahof 1898 mit wenigen Worten in seinem Heft: 

„Das alte Mittelgebirgshaus in Böhmen und sein Bautypus“

Lippert wohnte zuletzt in Kundratitz, dem Nachbardorf von Hlinay. Über den Schwerdahof schrieb er:

„Wenn wir dagegen auch nicht wissen, ob nicht gerade ein slawischer Bauer ein Haus gebaut hat, wie es in Fig. 11 in hoher Vollendung darstellt, so spricht doch dieses Haus selbst dafür, dass es nur auf einem „eingekauften“, d.h. auf einem solchen Bauerngrunde aufgeführt wurde der … dem Bauern … gehörte. Ein Bauer der so baute, musste sicher sein, dass er nicht von seiner Herrschaft stündlich von seinem Grunde abgerufen werden konnte.“

Julius Lippert - Fig. 11
Julius Lippert – Fig. 11

Lippert wusste wohl zu seiner Zeit nicht, wie die rechtlichen Verhältnisse waren.

Georg Schwarda kaufte im 30-jährigen Krieg das vermutlich verlassene Gehöft von der Obrigkeit ab. Der Kaufpreis betrug damals 330 Schock Groschen. Georg übergab den Hof 1652 an seinen Sohn Jacob.

Weiter schrieb Lippert:

Betrachten wir dasselbe Haus noch von seiner Giebelseite (Fig. 13), so gibt es gewiss ein ebenso günstiges Zeugnis für den feineren Formensinn unserer Vorfahren, wie die Entwicklungsfähigkeit unseres Stils.“

Julius Lippert – Fig. 13

Mit diesen beiden Skizzen fuhren wir an einem nasskalten, regnerischen Tag nach Hlinay.

Vom Heimatverband erhielt ich ein paar Wochen vorher dankenswerterweise einen handgezeichneten Ortsplan, der die Hauseigentümer um 1945 enthielt.

Hlinay – Ortsplan 1945

Auf dem Plan ist in der rechten Hälfte, etwa in der Mitte das Gebäude mit dem Namen Schwerda (Patzelt) gut zu erkennen. Dieses Gebäude wollten wir finden. Dummerweise hat sich der Ort in den 70 Jahren kräftig verändert. Obwohl wesentlich weniger Personen als vor dem Krieg dort wohnen, ist das Dorf gewachsen. Die Straßenführung ist in diesem Teil des Dorfes ganz anders und das Gebäude, wie auch viele anderen Gebäude stehen nicht mehr. Durchaus enttäuscht, durchnässt und durchgefroren liefen wir zu unserem Auto zurück.

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